(aus dem Begleitheft zur Landesausstellung)
„.... Welche Freude wird entstehen,
Wenn wir Gallus kommen sehen,
Wir mit ihm ins Gaden gehen.
Keinem wird er Trost versagen,
Der in schönen Maientagen
Seine Milch ihm zugetragen.
Alle hat er aufgeschrieben,
Denen gute Werke blieben
Für den Tag, den tränentrüben.
Alle, die sein Buch erquicket,
Eilen froh und hochbeglücket,
Wo kein Dengel sie erblicket.“
(Franz Michael Felders Gedicht „Katharinentag“)
Der Konflikt zwischen Gallus Moosbrugger und Franz Michael Felder entzündete sich an dem für den Bregenzerwald im 19. Jahrhundert wichtigsten Wirtschaftszweig: dem Käsehandel. Moosbrugger, der Händler, bezahlte die Milch im voraus, was die Bauern in eine gewisse – auch finanzielle – Abhängigkeit brachte.
Felder versuchte durch Gründung von Genossenschaften diesem Umstand entgegenzuwirken – die Bauern sollten ihre Produkte selbst vermarkten. Die Sicht Felders ist durch seinen Nachlass umfangreich dokumentiert.
Im vorwiegend von der Landwirtschaft geprägten Bregenzerwald erwies sich insbesondere aufgrund der regionalen klimatischen Bedingungen die Graswirtschaft lohnender als der Ackerbau. Um 1805 wurde im Bregenzerwald ungefähr gleich viel Fett- und Magerkäse erzeugt, letzterer primär für den eigenen Verbrauch – auch aufgrund der geringen Haltbarkeit. Fettkäse ging fast ausschließlich in den Export, den die Käsehändler besorgten.
Exportiert wurde bis etwa 1817 hauptsächlich nach Wien und auch nach Norddeutschland und in die Niederlande. Die Erhöhung der Zölle durch den deutschen Zollverein machte dann allerdings die Schaffung neuer Absatzmärkte notwendig. Mit der Rückgabe der Lombardei und Venetiens an Österreich 1814 und der 1817 erfolgten Zollbegünstigung von Österreich-Italien, eröffneten sich dort neue Absatzgebiete. Die rasante Entwicklung des Absatzes ging einher mit einer Steigerung von Qualität und Quantität der Fettkäserei.
Das Gasthaus Adler um 1900.
Mit mehrspännigen Pferdefuhrwerken wurde in die gesamte Monarchie, aber auch nach Norddeutschland und bis nach Holland geliefert.
...aus Schnepfau im Bregenzerwald nahmen als Käsehändler um die Mitte des 19. Jahrhunderts eine führende Position ein. Gallus (1810 – 1886), Josef Ambros (1806 – 1869) und Leopold (1804 – 1861) erreichten durch ihre geschickte strategische Verteilung der Aufgaben nahezu ein Export-Import-Monopol.
Mit der Käseausfuhr einerseits ging andererseits die Einfuhr der im Bregenzerwald benötigten Lebensmittel, handwerklichen Werkzeuge etc. einher.
Vom Gasthof „Adler“, dem Stammhaus der Moosbrugger ausgehend, bauten sie ein Imperium auf, das ihnen im Volksmund den Namen „Käsgrafen“ einbrachte.
Leopold kaufte 1834 das Bad Rothenbrunnen im Großen Walsertal und setzte damit eine Ausweitung des Handelsgeschäftes in Richtung Vorarlberger Oberland in Gang. Zusammen erwarben die Gebrüder Moosbrugger dann noch weitere große Besitztümer im Umkreis von Thüringen – mit dem umfangreichen Besitz übernahmen sie auch das Patronat über die Pfarren Bludesch, Thüringen, Ludesch, Thüringerberg, Raggal, Sonntag und Buchboden.
Josef Ambros war inzwischen nach Mailand übersiedelt und betrieb dort neben Käseimporten auch eine eigene Fabrikation. Wohn- und Geschäftshaus befanden sich in der Via Vigevano 6.
Während Gallus Milch und Käse im Vorarlberger Unterland kaufte, besorgte dies Leopold im Vorarlberger Oberland. Man verstand es offenbar sehr gut, sich den Anforderungen des Marktes anzupassen. Der gute Absatz der Käse bewirkte eine nahezu ausschließliche Konzentration auf dieses Produkt, was sogar dazu führte, dass in einzelnen Bregenzerwälder Gemeinden die Butter eingeführt werden musste.
Der Bauer geriet durch diese Ausrichtung seiner Bewirtschaftung, die ihm deutlichere Mehrerlöse einbrachte aber auch in eine Abhängigkeit gegenüber dem Händler. Er musste sich um den Absatz seiner Produkte nicht kümmern, erhielt sein Geld im voraus, allerdings bestimmte der Käsehändler den Preis. Dieser bot aber auch gleichzeitig die Waren an, die er aus dem Ausland als Gegenfracht importierte.
Die Käsehändler besorgten den Transport der Waren selbst oder bedienten sich einer Spedition. Die ursprüngliche Transportart mit Saumpferden wich mit der Verbesserung der Straßen (Bau der Schwarzachtobelstraße 1837, Weiterführung nach Egg 1845) dem Pferdefuhrwerk. Die Käse wurden in sogenannten „Käsebunzen“ – einer fassähnlichen Verpackung – auf schwere Wagen geladen. Eine Fuhre wog bis zu 1 Tonne.
Gallus Moosbrugger soll zeitweise über 60 Pferde im Einsatz gehabt haben.
Ein Vierspänner beladen mit Käsebunzen wog bis
zu einer Tonne. Die abenteuerliche Reise von
Schnepfau über Feldkirch - Chur - die Via Mala Schlucht bis nach Mailand dauerte ca eine Woche.
Josef Ambros richtete in Mailand eine eigene Käsefabrikation ein, in der angepasst an den örtlichen Geschmack, auch Parmesan und Gorgonzola hergestellt wurden. Moosbrugger war allem Anschein nach in das gesellschaftliche und kulturelle Leben in Mailand integriert, man hatte eine Loge in der Scala abonniert (G. Verdi, Nabucco, 1842). Auch während der kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen Österreich und Italien behielt Josef Ambros Moosbrugger seinen ständigen Wohnsitz in Mailand – er starb auf einer Reise nach Vorarlberg 1869 in Thüringen. Sein Neffe Josef (Guiseppe), Sohn des Gallus, übernahm darauf die Niederlassung in Mailand. Ein neuer Geschäftsvertrag im Jahre 1871, nach dem Tode der beiden Brüder Leopold (1861) und Josef Ambros (1869), regelte die geänderten Besitzverhältnisse, an denen nunmehr die Kinder der Verstorbenen an Stelle ihrer Väter eintraten. Unter anderem wird vorgesehen, dass Gallus Moosbrugger sowie die Söhne des Leopold Moosbrugger den „Einkauf der Milch, die Verarbeitung derselben, sowie die Versackung und Versendung der Waren“ besorgen. Der Verkauf der Waren ist nun Josef Moosbrugger übertragen.
1866, nach dem verlorenen Krieg, versuchte Felder Gallus Moosbrugger für eine „Agitation“ zu gewinnen, mit der man günstige Exportbedingungen für den Bregenzerwälder Käse zu erreichen hoffte. Moosbrugger stieg darauf nicht ein, worauf sich Felder an den Lithographen und späteren Landtagsabgeordneten Josef Feuerstein in Bezau wandte. Feuerstein war in der Folge einer der engsten Mitarbeiter Felders und setzte schließlich dessen Ideen in der Gründung des ersten Käsehandlungsvereines in die Tat um (1866). Moosbrugger war gezwungen, mit seinen Preisen nachzuziehen, was eine deutliche Steigerung des Milchpreises brachte. Die Käsehandlungsvereine hatten Schwierigkeiten im Aufbau eines entsprechenden Vertriebsnetzes, etablierten sich aber dennoch. Mit dem Tode Franz Michael Felders (1869) ging die Entwicklung der Vermarktung auf eine andere Institution über, die Vereinssennereien hatten Bestand. Gallus Moosbrugger starb 1886, die Nachkommen betrieben den Käsehandel nicht mehr im selben Umfang – die Firma löste sich schließlich 1930 auf.
Sowohl Moosbrugger als auch Felder waren „Modernisierer“. Beide brachten neue Ideen in den Bregenzerwald (Moosbrugger war auch im Komitee für den Bau der Bregenzerwaldbahn), die aber nach dem Tode der beiden auch von der politischen Bühne verschwanden.
Josef erbaute für sich und seine Familie ein Haus in Schnepfau (im Ort „Villa“ genannt), und hielt sich auf seinen Geschäftsreisen regelmäßig dort auf – er verstarb 1908 in Schnepfau. Sein Sohn Riccardo trat die Nachfolge im Geschäft an. 1915 erlag er Kriegsverletzungen, womit die Linie der Moosbrugger in Mailand ausstarb. 1880 führt Leopold Moosbrugger, ein Sohn des Gallus, in Wien die dortige Niederlassung der Firma.
...der zeitlebens von Schnepfau aus agierte, kaufte den Grossteil der Milch im hinteren Bregenzerwald auf, und zwar meist in der Form, dass die Bauern das Geld für die Wintermilch im voraus am 25. November (Katharinentag) in Au erhielten. Diese mussten einen Teil des Geldes an die Lechtaler Gläubiger (einer davon war Johann Dengel aus Steeg) weitergeben, um dort die Zinsen zu tilgen. Die dauernde Verschuldung, die einen beträchtlichen Teil der Bauern betraf, führte somit zu einer Klientelbildung. Mit dieser Kreditpolitik stand der Bauer sowohl beim Lechtaler als auch – etwas günstiger – bei Gallus Moosbrugger in der Schuld. Moosbrugger bestimmte den Milchpreis. Als Aufkäufer kam er so in die Situation des Monopolisten. Er bezahlte 1864 an die Schoppernauer, die an ihn gebunden waren, 14 ½ Pfennig, während an anderen Orten 15 Pfennig bezahlt wurden.
Moosbrugger musste die Geschäfte vorfinanzieren und trug das Risiko alleine, durch Versicherungen – soweit möglich – gedeckt. Es entwickelte sich der Konflikt mit Franz Michael Felder, der schließlich zur Gründung genossenschaftlicher Käsehandlungsvereine führte. Die Polarisierung fand zwischen Felder und Moosbrugger statt, andere Käsehändler waren an dieser Auseinandersetzung nicht direkt beteiligt – mit Ausnahme von Josef Anton Ratz in Bezau, der von Felder und seinen Freunden in Sachen Käsehandel öfters kontaktiert wurde.
Es stehen sich zwei Ideen gegenüber: Moosbrugger, der Kapitalist manchesterliberaler Prägung, und der besonders unter dem Einfluss von Lassalle stehende sozialreformerische Felder.
Im Jahr 1886 schreibt Der Landbote:
„Schnepfau beklagt den Tod eines echten Wäldermannes, des Käsehändlers Gallus Moosbrugger, unter dem Namen „Galle“ im ganzen Land wohlbekannt. In religiös-politischer Beziehung neigte er anfangs zu den Liberalen, bis er sie kannte, nachher wählte er stets konservativ“.
Übernommen aus dem Begleitheft zur Ausstellung „Die Käsgrafen“ des Vorarlberger Landesmuseums, Bregenz. Bearbeitet und für das Internet aufbereitet von Dominik Moosbrugger.